Gestaltung kreislauffähiger Geschäftsmodelle - Einblicke aus Wissenschaft und Praxis

Jonas Brinker, Jan Heinrich Beinke, Oliver Thomas, Ingo Westphal, Klaus-Dieter Thoben, und Barbara Gleede

Für Verbraucher, Unternehmen und politische Entscheidungsträger gewinnt das Thema Ressourceneffizienz zunehmend an Bedeutung. Dies hat unterschiedliche Gründe: Die unklare Versorgungssicherheit mit Rohstoffen führt zu höheren Materialpreisen. Neue Vorgaben für die Produktion, bspw. im Kontext der UN-Nachhaltigkeitsziele, sowie Erwartungsdruck seitens der Verbraucher erfordern die nachhaltigere Produktion von Gütern. Damit wird Nachhaltigkeit nicht nur zu einer notwendigen Voraussetzung für Unternehmen, sondern zu einem zentralen Wettbewerbsfaktor. Die damit verbundenen Konzepte und Ansätze wirken langfristig nur, wenn sie sich am Markt durchsetzen können, und werden erst damit zu „echten“ Innovationen [1]. Dafür bedarf es geeigneter Geschäftsmodelle, die für die Beteiligten vorteilhaft sind und sie zur Umsetzung und Nutzung motivieren.

Im Rahmen der BMBF-geförderten Förderlinie „Ressourceneffiziente Kreislaufwirtschaft – Innovative Produktkreisläufe“ (ReziProK), in deren Fokus die Erforschung und Entwicklung von Innovationen für eine ressourceneffiziente Kreislaufwirtschaft steht, wurden über die beteiligten Projekte Strukturen, Interdependenzen und Herausforderungen im Zusammenhang mit kreislauffähigen Geschäftsmodellen erhoben. Ziel dieses Beitrags ist es, vor allem kleinen und mittelständischen Unternehmen eine Orientierungshilfe zu geben, um geeignete Geschäftsmodelle zur Verbesserung der Ressourceneffizienz zu entwickeln.

Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft

Der weltweite Ressourcenbedarf geht mit ökologischen, ökonomischen und sozialen Herausforderungen einher, sodass die Transformation der bisher primär linearen in eine ressourceneffiziente, kreislauffähige Wirtschaft erforderlich wird [2]. Im deutschsprachigen Raum wird hierfür überwiegend der Begriff der Kreislaufwirtschaft verwendet, der die Abfall- und Recyclingwirtschaft fokussiert und damit primär zirkuläre Material-, Komponenten- und Produktflüsse umfasst. Der international gebräuchliche Begriff der Circular Economy hingegen beschreibt komplette Wertschöpfungskreisläufe, die zusätzlich die Phasen des Produktdesigns sowie der Herstellung und Nutzung von Produkten einschließen. Diese Wirtschaftssysteme sind durch Geschäftsmodelle gekennzeichnet, in denen ein reduzierter Ressourceneinsatz und die alternative Wiederverwendung von Produkten im Fokus stehen. Dabei wird sowohl das Recycling als auch die Rückgewinnung von Ressourcen gefördert, um diese möglichst lange innerhalb der Wirtschaft zu erhalten und Abfälle zu reduzieren [3]. Damit einher geht der Umbau von bisher linearen Wirtschaftsweisen in weitestgehend geschlossene Kreisläufe unter Berücksichtigung des Zusammenspiels von Produktion, Konsum und Entsorgung mit dem Ziel eines nachhaltigen Managements von Stoffströmen. In diesem Beitrag ist der Begriff der Kreislaufwirtschaft synonym zum internationalen Begriff der Circular Economy zu verstehen und umfasst somit auch die Geschäftsmodell-Perspektive.

Divergierende Interessen von Akteuren und die Entwicklung sowie Etablierung geeigneter Geschäftsmodelle stellen ein Hemmnis für die gesamtheitliche Weiterentwicklung der Circular Economy dar. Dies spiegelt sich bspw. im Aufwand für das Recycling komplexer Produkte und Materialen, wie sie u. a. bei Elektrogeräten oder Verbundwerkstoffen existieren, wider. Ohne entsprechende Wertschöpfungspotenziale sind diese Hemmnisse nicht durch einzelne Akteure zu bewältigen. Im Bereich der Produktnutzung stehen Kundenanforderungen an Produktfeatures oder die Aktualität der Produkte dem größeren Aufwand einer ressourcenschonenden Entwicklung gegenüber, sodass sich neue Produktkonzepte und Nutzungsszenarien nur langsam durchsetzen.

Damit verbunden ist die Entwicklung der Produkte nicht mehr isoliert, sondern als hybride Leistungsbündel mit begleitenden Dienstleistungen zu konzipieren und zu vertreiben, sodass neue Mehrwerte für Kunden generiert werden (Bild 1). Bei diesen sogenannten Product-Service-Systemen (PSS) wird nicht zwischen materiellen und immateriellen Leistungen unterschieden [4]. Neben Vergütungsmodellen, bei denen jede Komponente einzeln bepreist wird, existieren auch Modelle, bei denen eine Komponente die andere „subventioniert“. So kann bspw. der Service für den Kunden nicht als Extraleistung berechnet, sondern aus den Verkaufserlösen des physischen Produkts refinanziert werden. Alternativ können die Einnahmen aus Serviceverträgen genutzt werden, um das physische Produkt günstiger anbieten zu können.

Diese Extraleistungen können über direkte Mehrwerte für den Kunden hinausgehen, sind aber finanziell schwerer zu bewerten. Hierbei handelt es sich bspw. um Fragen der Nachhaltigkeit, insbesondere bzgl. CO2-Emissionen und Rohstoffverbrauch. Durch Dienstleistungen zu Personenbeförderung, die ausschließlich auf regenerative Energie setzen, erfährt der Kunde keinen direkten Mehrwert in Form von höherem Komfort oder kürzerer Reisezeit. Stattdessen entsteht ein indirekter Mehrwert durch den Beitrag zur Abmilderung des Klimawandels. Wenn Produkte am Ende ihres Lebenszyklus wieder aufgearbeitet und dem Kunden erneut angeboten werden, entsteht ebenfalls ein indirekter Mehrwert in Form eines geringeren Ressourcenbedarfs.


Bild 1: Erweiterung von Leistungsangeboten.

Ressourcenschonende und kreislauffähige Geschäftsmodelle

Neben Kunden, die über ihr Verhalten beim Kauf, bei der Nutzung, der Um-/Weiternutzung und der Verwertung am Ende des Produktlebenszyklus entscheidenden Einfluss auf den Ressourcenverbrauch nehmen, kommt den Unternehmen eine wesentliche Rolle zu. Zum einen geht es dabei darum, wie ressourcenschonend bzw. -effizient sie die von ihnen angebotenen Leistungen gestalten. Zum anderen sind sie i. d. R. selbst Kunden anderer Unternehmen (Bild 2). Diese Leistungsbeziehungen spiegeln sich auch in den Geschäftsmodellen wider.

Geschäftsmodelle bilden die zentrale Logik ab, nach der Unternehmen ökonomischen Wert generieren, ausliefern und erfassen [5]. Sie definieren damit das zentrale Nutzenversprechen gegenüber einem Kunden und die mit dessen Erreichung verbundenen Faktoren.

Während traditionelle Geschäftsmodelle auf lineare Wertschöpfungsketten ausgerichtet sind, erfordert die Kreislaufwirtschaft per Definition das Design und die Implementierung von Geschäftsmodellen, die auf die Nutzung von möglichst wenig Ressourcen über einen langen Zeitraum abzielen und gleichzeitig deren maximalen Wert ausschöpfen. Geissdoerfer u. a. [6] haben eine Übersicht an Konzepten, Frameworks und Tools erstellt, die bei der Entwicklung von Circular Business Models (CBMs) unterstützen können. Beispielhaft seien an dieser Stelle das Circular Business Model Mapping Tool [7] und das Circular Business Model Canvas (CBMC) [8] genannt, die auf Basis des CBMC neue Elemente wie bspw. Anreize für die Rückgabe des Guts und eine angepasste Struktur bereitstellen. In der Literatur existieren verschiedene Definitionen für CBMs. Nach Linder und Williander [9] steht die Kreislaufführung im Vordergrund. Demnach basiert die konzeptuelle Logik der Wertschöpfung von CBMs auf dem verbleibenden wirtschaftlichen Wert eines Guts für die Produktion neuer Angebote, d. h. sie fokussiert den Rückfluss von Ressourcen zu Produzenten oder weiteren Zwischenhändlern. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Wiederverwendung oder Wiederaufbereitung des Guts dem Recycling vorzuziehen ist, da der verbleibende Wert des Gesamtprodukts höher ist als der der einzelnen Komponenten [10]. Dies wird durch die Beschreibung des Aufwands unterstützt, der mit dem Recycling von komplexen Produkten oder Verbundstoffen einhergeht. Demgegenüber fokussieren Geissdoerfer u. a. [6] die verschiedenen Strategien für CBMs wie bspw. die Verlängerung von Produktlebenszyklen oder das Intensivieren der Produktnutzung. Dadurch sollen der Ressourceninput in ein Organisationssystem sowie die Abfall- und Emissionsverlagerungen aus diesem heraus reduziert werden. Dies könne erreicht werden, indem das Recycling, die Verlängerung oder Intensivierung von Nutzungsphasen und/oder die Substitution von Produkten durch Dienstleistungen und Softwarelösungen verfolgt werden. Obgleich diese Strategien bereits breite Anwendung finden, ist die erfolgreiche Umsetzung neuer Geschäftsmodelle weiterhin von Herausforderungen bspw. in Form mangelnder Akzeptanz von Kunden oder erhöhter Aufwände auf Seiten der Anbieter begleitet, die die Marktdurchdringung hemmen. Ausschlaggebende Faktoren sind vor allem irrationales Verhalten von Konsumenten, divergierende Unternehmensinteressen − bspw. kurzfristige Umsatzziele anstelle langfristiger Marktorientierung – sowie die ungleichmäßige Verteilung von Gewinnanteilen entlang von Supply-Chains [11].

Einblicke in Projekte aus Wissenschaft und Praxis

Kreislauffähige Geschäftsmodelle umspannen einerseits komplette Wertschöpfungssysteme und bieten andererseits neue Entwicklungspotenziale für einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen in einem breiten Branchenspektrum. Diese Bandbreite spiegelt sich auch in der eingangs erwähnten Förderlinie „ReziProK“ wider.

Über die insgesamt 12 Projekte mit Bezug zur Entwicklung von Geschäftsmodellen wurden 19 Anwendungsfälle erfasst. Die identifizierten Kategorien für die Datenerhebung umfassen einen Überblick (Zielsetzung, Nutzenversprechen, Motivation), die Verortung (Branche, Fokus auf Produkte/Services, Abschnitte der Wertschöpfungskette), den Entwicklungs- und Umsetzungsprozess (Verwendete Methoden & Werkzeuge, Herausforderungen bei Umsetzung & Entwicklung) sowie die Ausgestaltung (Einsatz von IT-Werkzeugen). Um zusätzlich den Entwicklungsstand der Geschäftsmodelle zu erfassen, wurden ergänzende BMCs abgefragt, die die Ausgestaltung der kreislauffähigen Geschäftsmodelle konkretisieren.

Im Folgenden werden die wesentlichen Merkmale und ihre Ausprägungen in den Use Cases (UC) erläutert. Die UCs lassen sich verschiedenen Kategorien kreislauffähiger Geschäftsmodelle zuordnen, wie sie bspw. von [12] und [13] beschrieben wurden. Dabei handelt es sich um folgende Kategorien: (1) Längere Nutzung bspw. durch Reparatur eines Produkts (77 % der Use Cases), (2) Nutzenintensivierung wie bspw. in der Sharing Economy (8 %), (3) Recycling in Form von Dekomposition in Einzelkomponenten (15 %) und (4) Dematerialisierung (0 %).

Etwa 69 % der Geschäftsmodelle basieren auf PSS, 23 % auf Services und lediglich 8 % auf rein produktbasierten Geschäftsmodellen. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle ein alleiniger Fokus auf das physische Produkt wesentliche Potenziale für die Kreislaufwirtschaft unerschlossen ließe. Bei Services im Zusammenhang mit Kreislaufwirtschaft können zwei grundsätzlich Arten unterschieden werden:
1. Services, die direkt einen Ansatz der Kreislaufwirtschaft als Leistung erbringen, z. B. Reparaturdienstleistungen.
2. Services, die Ansätze der Kreislaufwirtschaft unterstützen und somit indirekt dazu beitragen, z. B. die Bestimmung der genauen Zustandsdaten von ggf. wieder zu verwendenden Bauteilen oder spezielle Logistikleistungen zur Erfassung und Rückführung von Materialien.
3. Die Auswertung zeigt, dass bei den UC, die auf Services oder PSS ausgerichtet sind, der größte Teil (75 %) direkte Leistungen der Kreislaufwirtschaft erbringt. Ein Viertel trägt indirekt dazu bei.

Als Motivation für die Ressourcenschonung wurde neben der direkten Einsparung an Ressourcen und damit verbundenen finanziellen Einsparungen (31 %) der Marketingaspekt genannt (46 %), um sich bspw. gegenüber Kunden als besonders nachhaltig zu präsentieren und dadurch neue Kunden zu gewinnen. Bei den verbliebenen UCs (23 %) ist die Ressourcenschonung ein wichtiger Nebeneffekt bspw. durch einen geringen Wartungsaufwand und damit einhergehendem geringen Ressourcenaufwand. Die Geschäftsmodelle adressieren zudem unterschiedliche Abschnitte der Wertschöpfungskette. Etwa die Hälfte der UC und damit der größte Teil richtet das Wertangebot auf die Nutzungs-/ After-Sales-Phase. Knapp ein Viertel der UC adressiert die initiale Nutzung und anschließende Weiterverwendung bzw. das Recycling. Die Herstellung wurde mit unter 10 % von den wenigsten UC angegeben. Mehrere Projekte, ebenfalls ein knappes Viertel, erreichen mit ihrem Angebot mehrere Abschnitte der Wertschöpfungskette, zu denen in allen Fällen auch die Nutzungsphase gehört.

Des Weiteren wurde untersucht, wie sich das jeweilige Geschäftsmodell in bereits existierende Geschäftsmodelle integriert. Hierbei wurde in drei Kategorien unterschieden:
1. Komplementär (25,5 % der UC). Das neue Geschäftsmodell baut auf dem bisherigen Wertangebot auf, ergänzt es und ermöglicht Synergien.
2. Neutral (34,5 % der UC). Das neue Wertangebot steht in keiner Wechselwirkung zu dem bisherigen Wertangebot, es steht eigenständig daneben.
3. Konkurrierend/substituierend (40 % der UC). Das neue Wertangebot stellt eine Alternative zu dem bisherigen Wertangebot dar. Je erfolgreicher das neue Wertangebot bei Kunden ist, umso stärker verliert das bisherige Wertangebot an Zuspruch.

Ein Beispiel für komplementäre Geschäftsmodelle im Kontext Kreislaufwirtschaft sind Rücknahme-Vereinbarungen zur Rohstoffrückgewinnung oder Kaskadennutzung. Sie bieten den Kunden einen Zusatznutzen, der das bestehende Wertangebot ergänzt und es attraktiver machen kann, aber davon abhängig ist. Dagegen sind z. B. Upcycling-Ansätze in vielen Fällen in der Tendenz neutral, da sie ein höherwertiges Wertangebot bieten, als es beim Ausgangsprodukt der Fall war und somit mit diesem nicht in direkter Konkurrenz stehen. Oft werden auch neue Kundengruppen angesprochen. Sofern ausreichend Ausgangsmaterial/-produkte zu Verfügung stehen, ist das neue Wertangebot auch weitgehend unabhängig von den Geschäftsmodellen für diese Materialien. Ein Beispiel ist hier das Projekt „UpZent“ (Upcycling-Zentrum), bei dem aus gewerblichen Reststoffen wie bspw. Holzabschnitten neue Designprodukte wie Möbel gefertigt werden.

Konkurrierende Geschäftsmodelle lassen sich z. B. bei Produkten finden, die aus einem Re-Manufacturing-Prozess vom Hersteller der ursprünglichen Neuteile hervorgehen. So verfolgt das Projekt RePARE z. B. die Regeneration von Bauteilen durch additive Fertigungsverfahren, was als Ergänzung zu bestehenden After-Sales-Services im Ersatzteilmanagement geplant ist. Solche Angebote stehen potenziell in Konkurrenz zueinander, da sich der Kunde, der ein aufbereitetes Austauschteil kauft, damit gegen den Kauf eines Neuteils entscheidet. Je nachdem, welcher Kategorie das neue Geschäftsmodell zuzuordnen ist, unterscheiden sich die möglichen Konsequenzen. Bei komplementären Geschäftsmodellen kann das neue Geschäftsmodell ausgebaut und ggf. die Synergie zwischen altem und neuem Modell optimiert werden. Bei neutralen Geschäftsmodellen besteht kein akuter Handlungsbedarf, dennoch kann hinterfragt werden, ob die Geschäftsmodelle strategisch zusammenpassen oder auf längere Sicht eine Schwerpunktsetzung erfolgen sollte. Anders verhält es sich bei konkurrierenden Geschäftsmodellen. Dort sollten die Effekte des Konflikts genauer bewertet und ggf. versucht werden, den Konflikt aufzulösen, um z. B. sog. „Kannibalisierungseffekte“ zu vermeiden. Dazu kann es ggf. erforderlich werden, die Geschäftsmodelle zu modifizieren oder eines der Geschäftsmodelle aufzugeben.

Der Einsatz unterschiedlicher IT-Werkzeuge spiegelt sich insbesondere durch die Entwicklung bzw. Nutzung von Plattformen (62 %), Sensorik (54 %) sowie KI-Verfahren (15 %) in den kreislauffähigen Geschäftsmodellen der Projekte wider (Mehrfachnennungen waren hier möglich). Plattformkonzepte sind im Zuge der Kreislaufwirtschaft insbesondere deshalb notwendig, weil die Akteure in der Wertschöpfungskette stärker vernetzt sind als in linearen Wirtschaftsweisen. Der Einsatz von Sensorik ist vor allem bei Projekten mit Fokus auf die verlängerte Nutzung des Projekts relevant, da hierüber bspw. der Zustand von Bauteilen genauer bestimmt werden kann, um den Verbrauchsvorrat möglichst gering zu halten. Der Einsatz von KI geht hiermit einher, indem bspw. die Auswertung von Sensordaten automatisiert werden soll. Dies wird jedoch – vor allem aufgrund der Komplexität des Methodeneinsatzes – in der Praxis bisher nur punktuell forciert.

Herausforderungen bei der Entwicklung und Umsetzung von Geschäftsmodellen wurden separat erfasst, um Lösungsansätze hierfür erarbeiten zu können. Die Auswertung wurde dadurch erschwert, dass die Antworten bereits den fließenden Übergang zwischen Herausforderung und Lösungsansatz adressierten und die Differenzierung zwischen Entwicklungsphase und Umsetzung nicht immer trennscharf ist. Die Rückmeldungen lassen sich in vier zentrale Herausforderungen gliedern:
1. Technische Herausforderungen können fertigungs-, material- oder datentechnische Fragen betreffen, aber auch prozessbezogene Fragen wie z. B. die der passenden Logistik bei der Rückführung von Materialien (38 %).
2. Zu den betriebswirtschaftlichen Herausforderungen gehören unter anderem Unsicherheiten bspw. hinsichtlich des Absatzpotenzials sowie Möglichkeiten der Finanzierung und Kooperationen (69 %).
3. Rechtliche Herausforderungen beziehen sich vor allem auf Haftung und Urheber-/ Patentrecht, die sich bspw. beim Reengineering von Bauteilen oder der Nutzung von Sensordaten ergeben (8 %).
4. Fehlende theoretische Grundlagen erschweren die Entwicklung kreislauffähiger Geschäftsmodelle, weil sowohl Know-how als auch Referenzrahmen zur Bewertung der neuen Geschäftsmodelle fehlen (23 %).


Bild 2: Leistungsbeziehungen in ressourceneffizienten Geschäftsmodellen.

Handlungsempfehlungen

Die Ergebnisse unterstreichen, dass ein großes Einsatzpotenzial für kreislauffähige Geschäftsmodelle in der Verlängerung der Nutzungsdauer von Produkten liegt. Insgesamt zeigt sich, dass kreislauffähige Geschäftsmodelle nicht nur umweltpolitisch sinnvoll sind, sondern auch in der Praxis Mehrwerte für Unternehmen und Kunden liefern können. Um dieses Einsatzpotenzial voll auszuschöpfen, bedarf es konkreter Hilfestellungen für Unternehmen und Politik. Dazu wurden Handlungsempfehlungen (HE) erarbeitet.

Wir empfehlen Unternehmen, in einem ersten Schritt den Status Quo kreislauffähiger Geschäftsmodelle in ihrer Branche und Tätigkeitsfeld zu analysieren (HE1). Anschließend ist es sinnvoll, die Potenziale zur Erhöhung der Nachhaltigkeit im Unternehmen zu eruieren und dabei die unterschiedlichen Dimensionen der Nachhaltigkeit (u. a. ökologisch, sozial, wirtschaftlich) dezidiert abzuwägen (HE2). Nach der Identifizierung des Potenzials steht die Umsetzung ausgewählter (Pilot-)Projekte an. Dazu empfiehlt sich bspw. eine Stabsstelle einzurichten, die abteilungsübergreifend in relevante Entscheidungsprozesse eingebunden wird (HE3) und im Unternehmen die dafür nötigen Change-Management-Prozesse, bspw. in den Bereichen Governance und Personal, mitgestaltet (HE4). Um diese Prozesse zu unterstützen, ist es zielführend, auf Vorgehensmodelle zurückzugreifen (HE5) und entsprechende IT-Werkzeuge zu nutzen bzw. zu entwickeln, die die Nachhaltigkeitsaspekte Supply-Chain-übergreifend überwachen und steuern (HE6). Abschließend empfehlen wir die Kommunikation der Nachhaltigkeitsaktivitäten, um sowohl zielgruppenspezifisches Marketing betreiben zu können als auch sich innerhalb der Branche und im Wettbewerb zu positionieren, da Nachhaltigkeitsfaktoren, wie bspw. die Principles for Responsible Investment der Vereinten Nationen, für Investoren immer relevanter werden (HE7).

Die politischen Akteure wiederum sollten einerseits die Nachhaltigkeitsaktivitäten der Unternehmen unterstützen und incentivieren (HE8) und andererseits durch regulatorischen Druck, bspw. durch Reparaturgarantien, Vorhalten von Ersatzteilen und Geräterücknahmegarantie, positiv auf die Kreislauffähigkeit der Unternehmen einwirken. (HE9). Diese Maßnahmen sollten durch wissenschaftliche Begleitforschung flankiert werden, um die Effektivität der jeweiligen Maßnahme zu bewerten und Fehlentwicklungen bzw. Fehlanreizen vorzubeugen (HE10). Des Weiteren ist nach Einschätzung der befragten Projekte die Förderung von Repair-Cafés ein wichtiges Element, da es Menschen teilweise am technischen Hintergrundwissen und handwerklichen Fähigkeiten mangelt, auch wenn bspw. detaillierte Reparaturpläne seitens der Produzenten vorliegen (H11).

Fazit

Der vorliegende Beitrag untersucht die Entwicklung kreislauffähiger Geschäftsmodelle. Dazu wurden im Rahmen der Förderlinie „ReziProK“ zwölf Projekte aus verschiedenen Branchen befragt, wie diese Geschäftsmodelle entwickeln und welche Herausforderungen dabei auftreten. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass insbesondere Kollaborationsmöglichkeiten, wie bspw. Plattformen, essenziell für kreislauffähige Geschäftsmodelle sind. Da in der Kreislaufwirtschaft Kommunikation und Koordination im Vergleich zur linearen Wirtschaft oft aufwändiger sind, sind Plattformen ein effektiver Weg, diese Aufwände beherrschbar zu machen. Zudem zeigt sich, dass Services (auch im Kontext von PSS) von entscheidender Bedeutung sind. Ein Grund dafür liegt darin, dass substanzielle Verbesserungen hinsichtlich der Nachhaltigkeit bzw. Kreislauffähigkeit von Produkten oftmals mit hohem Aufwand und Kosten verbunden sind. Im Gegensatz dazu können Services, wie bspw. die sensorische Analyse des Produktzustands, eine optimale Ressourceneffizienz ermöglichen. Grundsätzlich erhebt diese Studie keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern dient vielmehr dazu, praxisrelevante und wissenschaftliche fundierte Ergebnisse aus Forschungsprojekten für die unterschiedlichen Stakeholder verfügbar und nutzbar zu machen. Dieser Beitrag entstand im Rahmen der Fördermaßnahme "Ressourceneffiziente Kreislaufwirtschaft − Innovative Produktkreisläufe" (ReziProK) des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Die Fördermaßnahme ist Teil des BMBF-Forschungskonzepts „Ressourceneffiziente Kreislaufwirtschaft“.

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Schlüsselwörter:

Kreislaufwirtschaft, Geschäftsmodelle, Nachhaltigkeit, Ressourceneffizienz

Literatur:

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