Die Potenziale von 5G für die Intralogistik der Zukunft

Julius Burghardt, Lukas Höhn und Dieter Uckelmann

Der Einsatz der 5G-Technik bietet vielen Unternehmen enorme Chancen hinsichtlich ihrer Bemühungen, Prozesse zu optimieren. In der Logistik sind zahlreiche Anwendungsbereiche denkbar. Besonders die Intralogistik könnte aufgrund der besseren Ortungsgenauigkeit von 5G gegenüber 4G prof - tieren. In Betracht kommen Anwendungen wie die zielsichere Steuerung von Transportfahrzeugen oder die präzise Ortung von Material während des Produktionsprozesses. Gelingt es, das Ortungspotenzial der 5G-Technik vollends auszuschöpfen und in die Struktur der Intralogistik einzubinden, könnte dadurch der Produktionsablauf revolutioniert werden.

Den neuen Mobilfunkstandard 5G zeichnen sowohl hohe Datenübertragungsraten als auch geringe Latenzzeiten aus. Letzteres beschreibt die Zeitspanne zwischen einer Nutzeraktivität, die auf einem mobilen Endgerät erfolgt, und der entsprechenden Reaktion auf einem anderen Gerät [1]. Neben diesen oft genannten Vorteilen werden die Chancen der höheren Ortungsgenauigkeit von 5G gegenüber 4G dagegen seltener betrachtet. Gerade die Intralogistik kann aufgrund des vermehrten Einsatzes mobiler Einheiten von einer Ortung mittels 5G profitieren. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Fragestellung, welchen Einfl uss die 5G-Technik auf die Ortung von mobilen Einheiten bei intralogistischen Prozessen hat und welche Vorteile sich dadurch für die Unternehmen ergeben. Dafür wurde eine Literaturrecherche durchgeführt und der Einsatz anhand eines Praxisbeispiels erläutert.


Bild 1: Entwicklungsstufen der Mobilfunkstandards. Quelle: In Anlehnung an [3].

Die 5G-Technik

Der Mobilfunkstandard 5G ist deutlich facettenreicher als dessen Vorgängertechnologie. Der 5G-Standard unterstützt nicht nur die Kommunikation von Smartphones, sondern auch der Austausch zwischen verschiedenen Gegenständen, Sensoren oder Maschinen, die durch ihre Vernetzung ein Internet der Dinge ermöglichen [2]. Bild 1 stellt die einzelnen Entwicklungsstufen der Mobilfunkstandards beginnend vom Jahr 1996 bis zum Jahr 2020 und deren jeweiligen verbesserten Datenübertragungsraten grafisch dar.

Die Architektur von 5G-Netzen erlaubt die Bereitstellung von Kommunikationsdiensten in sog. Network Slices [4]. Network Slicing kann auch als horizontale Virtualisierung beschrieben werden. Dabei wird den Mobilfunkbetreibern eine Trennung von Nutzern, Geräten und Anwendungen ermöglicht. Jedem Slice wird eine eigene virtuelle Infrastruktur bereitgestellt, wodurch eine unabhängige Verwendung von Ressourcen ermöglicht wird [5]. In Bild 2 werden die verschiedenen Slices grafisch dargestellt.

Der Einsatz von 5G bietet die Möglichkeit der Weiterentwicklung verschiedener Anwendungsbereiche. So kann 5G als Unterstützung des autonomen Fahrens dienen. Dabei gilt abzuwarten, wie groß die Unterstützung tatsächlich ist. Zum einen wird das Fahrzeug selbstständig Entscheidungen treffen und dabei unabhängig von 5G agieren, zum anderen müssen die Fahrzeuge untereinander und mit ihrem Umfeld kommunizieren. Weitere Anwendungsbereiche stellen bspw. die Virtual Reality oder Augmented Reality dar. Dabei wird eine hohe Datenrate benötigt, um für gute Nutzererlebnisse zu sorgen [7]. Für die Logistik bieten sich auch einige Potenziale und verschiedene Anwendungsbereiche. So können durch das 5G-basierte Tracking von Waren und Maschinen während des Transports wertschöpfende Aktivitäten durchgeführt werden [4]. Auch im Warehousemanagement und bei der Bereitstellung der Waren an die Produktionslinie ist der Einsatz von 5G denkbar. Einen wesentlichen Bestandteil der Digitalisierung in der Logistik macht die eigenständige Steuerung logistischer Einheiten aus. Beispielsweise können intelligente Transportbehälter mit verfügbaren Transportmitteln kommunizieren und basierend auf Kosten- und Zeitdaten die optimale Lösung auswählen [8].


Bild 2: Network Slicing. Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an [5, 6].

Die Intralogistik der Zukunft

Bei Betrachtung aller Logistikbereiche wird deutlich, dass die Intralogistik der Teilbereich mit dem ausgeprägtesten Automatisierungsgrad ist. Häufig sind diese Automatisierungen mit hohen Investitionskosten verbunden [9]. Bei den sogenannten geschlossenen 5G-Campus-Netzen für innerbetriebliche Anwendungen sind neben den Investitionskosten zudem Installations- sowie Betriebskosten zu berücksichtigen. Jedoch sind funkbasierte Netzwerkstrukturen oft günstiger als drahtgebundene Netzwerke, da die aufwendige Verkabelung entfällt [10]. Zudem wird die Kommunikation mit mobilen Objekten ermöglicht. Beispiele für einen sinnvollen Einsatz sind smarte Ladungsträger oder fahrerlose Transportsysteme (FTS) [11]. Diese werden häufig in intralogistische Prozessketten eingebunden und sind für den Materialfluss zwischen Fertigungsstationen zuständig. Typischerweise ist für die Grobpositionierung und Kollisionsvermeidung von FTS eine Messgenauigkeit von unter 30cm gefordert, während bei der Feinpositionierung an Übergabepunkten je nach Anwendung eine Abweichung von maximal 1cm angestrebt wird. Um FTS miteinander zu vernetzen, kann auf verschiedene Datenübertragungstechnik beachtet werden: eine ungenügend große Abdeckungsreichweite, dürftige Verbindungsstabilität oder auch zu hohe Latenzen zur Übertragung von Positionsdaten in Echtzeit sind hierbei zu nennen. Durch den Einsatz der 5G-Technik könnten diese Defizite ausgeglichen werden [11]. Voraussetzung aber ist, dass die mobilen Einheiten mit 5G kompatibel sind und somit vernetzt werden können. Außerdem muss eine IT-Architektur errichtet werden, die einen ständigen Datenaustausch ermöglicht. Die Einrichtung sog. Picozellen ist dabei hilfreich. Mittels dieser kleinen Funkzellen, die auch Small Cells genannt werden, können hohe Datenraten von mehr als 1 GBit/s mit einer niedrigen Latenz von ca. 5 Millisekunden übermittelt werden. Picozellen werden vorrangig in Gebäude- und Grundstücksbereichen eingesetzt und haben eine Ausdehnung von etwa 50 bis 100 Metern [12]. Nach deren Installation können Stapler, FTS oder andere mobile Einheiten mittels 5G vernetzt, überwacht und gesteuert werden [11]. Bild 3 stellt ein durch 5G vernetztes industrielles Umfeld vereinfacht dar, in welches auch die Warenanlieferung und der Warenversand eingebunden sind. Außerdem sind weitere Industriestandorte durch die Nutzung einer gemeinsamen Cloud-Infrastruktur integriert. Beispielhaft für eine erfolgreiche Integration in der Praxis steht das Industrie 4.0 Leitwerk von Bosch am Standort Stuttgart-Feuerbach. Das erste 5G-Campusnetz wurde hier Ende des Jahres 2020 in Betrieb genommen. In Zusammenarbeit mit dem Netzanbieter Nokia wurde das Produktionswerk mit 5G ausgestattet. Damit der ca. 10.000 Quadratmeter große Bereich datentechnisch gut ausgeleuchtet ist, wurden acht Small Cells im Inneren der Produktionshalle installiert. Anschließend konnten 5G-kompatible Produkte eingesetzt werden, zu denen bspw. der intelligente Industrieroboter APAS oder auch das von Bosch Rexroth entwickelte autonome Transportsystem ActiveShuttle zählen. Aufgrund der Errichtung einer 5G-Umgebung und der damit einhergehenden Verbesserung hinsichtlich des Informationsaustauschs konnten die intralogistischen Prozessabläufe optimiert werden [14]. Um die Effizienz im Bereich Industrie 4.0 zu steigern, müssen die dort eingesetzten FTS in der Lage sein, miteinander zu kommunizieren. Sofern FTS mit bildgebenden Sensoren ausgestattet sind, profitiert die Versendung diverser Bild- oder Laserscanner-Daten von der hohen 5G-Bandbreite. Die empfangenen Informationen können für eine Abstimmung der Fahrzeuge untereinander genutzt werden. In diese Kommunikation können auch Personen oder andere stationäre Elemente der Industrie 4.0 eingebunden werden [15]. Ein entscheidender Faktor bei der Kommunikation ist deren Aktualität. Je öfter Daten in einem bestimmten Zeitraum gesendet oder abgefragt werden, um bspw. die Position einer mobilen Einheit zu ermitteln, desto schneller kann auf eventuelle Vorkommnisse reagiert werden. Eine ständig fortlaufende Aktualisierung wird als Realtime Communication bezeichnet und kann durch die Nutzung der 5G-Technik ermöglicht werden [16].


Bild 3: 5G in der Industrie 4.0. Quelle: In Anlehnung an [13].

Positionsbestimmung mittels 5G

Mit dem Einsatz von 5G wird nicht nur eine Verbesserung hinsichtlich einer schnellen und störungsfreien Datenübertragung erreicht. Mithilfe dieser Technik kann auch die Lokalisierung verschiedener Transportmittel in der Logistik optimiert werden. Zu diesen Transportmitteln zählen Stapler und FTS. Darüber hinaus ermöglicht das Orten von Materialien und Gütern in intralogistischen Prozessen weiteres Optimierungspotenzial. Dabei werden mobilfunksignalabhängige und unabhängige Sensoren integriert. Neue Frequenzbänder und eine bessere Zeitauflösung schaffen optimale Voraussetzungen für die Ortung durch 5G [17]. Zudem ist der Device-to-Device-Ansatz hilfreich, da auf diese Weise eine relative Ortung zwischen lokalen Objekten erfolgen kann [18]. Für die Anwendung in Gebäuden wird erwartet, dass sich die horizontale Positionsgenauigkeit durch 5G-Weiterentwicklungen (Releases) stetig verbessert. So ist das im Jahr 2019 fertiggestellte Release 16 im Stande, eine tatsächliche Position bis auf drei Meter genau zu lokalisieren. Mit dem Release 17 soll die zu ermittelnde Position maximal einen Meter von der tatsächlichen abweichen. Anschließend soll sich die maximale Abweichung bei einer Positionsermittlung mit dem Release 18 auf nur noch wenige Dezimeter begrenzen. Das Release 18 wird voraussichtlich im Jahr 2023 fertiggestellt sein [19]. Eine drahtlose Ortung ermöglicht den Unternehmen eine flexiblere Überwachung und Steuerung von Transportbewegungen [20]. Dadurch kann ein fehlerfreier Materialfluss in Produktionshallen gewährleistet werden. Die Fahrroutenoptimierung eines Staplers bedarf lediglich einer Genauigkeit von wenigen Metern, sodass hier bereits ein sinnvoller Einsatz von 5G möglich ist. Im Gegensatz dazu sind bei der Steuerung von FTS wenige Zentimeter gefordert [21]. 5G steht hierbei im Wettbewerb zu etablierten Positionierungssystemen für die FTS-Steuerung, wie der klassischen Lasernavigation über Marker, oder funkbasierten Systemen, wie Ultra-Wide-Band (UWB) basierte Ortungsverfahren. Allerdings benötigen beide Verfahren im Gegensatz zu 5G zusätzliche Technologien für die Kommunikation zwischen der Leitzentrale und dem FTS. Die exakte FTS-Navigation mittels funkbasierter Systeme – ob über 5G oder UWB – wird jedoch durch Absorption und Reflektionen negativ beeinflusst. So enthalten moderne Produktionshallen meist Strukturen aus Stahlbeton und andere metallische Gegenstände wie Regale oder technische Anlagen. Durch die Kombination mit anderen Technologien, wie Ultraschall oder bildgebenden Sensoren, lässt sich jedoch die Feinpositionierung und die Prozesssicherheit der funkbasierten Navigation weiter erhöhen, sodass ein Einsatz zur FTS-Steuerung möglich wird.

Fazit

Es bleibt festzuhalten, dass der Einsatz der 5G-Technik enorme Potenziale für die Intralogistik bietet. Der neue Mobilfunkstandard hebt sich aufgrund verkürzter Latenzzeiten, verbesserter Verfügbarkeit und höherer Ortungsgenauigkeit deutlich von den Vorgängertechnologien ab und ebnet Unternehmen den Weg hin zu einer Industrie 4.0. 5G ermöglicht nicht nur die Kommunikation zwischen Transportbehältern und Transportmitteln, sondern auch die Ortung der einzelnen Güter und Materialien in der Intralogistik. Für den Einsatz in der FTS-Navigation sind die zu erwartenden Messgenauigkeiten jedoch zu gering, sodass die zusätzliche Nutzung weiterer Technologien für die Feinpositionierung notwendig sind.

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Schlüsselwörter:

5G, Intralogistik, Industrie 4.0, Positionsbestimmung, Datenübertragung

Literatur:

[1] Deutsche Telekom AG : 5G Geschwindigkeit ist Datenkommunikation in Echtzeit. URL: https://www.telekom.com/de/konzern/details/5g-geschwindigkeit-ist-datenkommunikation-in-echtzeit-544496, Abrufdatum 14.06.2021.
[2] Ruess, P. und Litauer R.: 5G als Schlüsseltechnologie für mehr Nachhaltigkeit in der Logistik? (2021), S. 36–49
[3] lte-anbieter.info: Wie die mobile Datenübertragung laufen lernte - die Mobilfunk Geschichte vom A-Netz bis LTE. URL: www.lte-anbieter.info/lte-geschichte.php, Abrufdatum 29.05.2021.
[4] Grotepass, J.; Eichinger, J. und Voigtländer, F.: Mit 5G zu neuen Potentialen in Produktion und Logistik. In: Handbuch Industrie 4.0. Berlin Heidelberg 2020, S. 251–284.
[5] Nolle, T.: Die Vorteile und Nachteile von Network Slicing bei 5G: Network Slicing nutzt Virtualisierung, um Nutzer, Geräte und Anwendungen entsprechend ihren QoS-Anforderungen zu trennen. Bietet diese Methode mehr Vorteile als Cloud Computing? URL: https://www.computerweekly.com/de/feature/Die-Vorteile-und-Nachteilevon-Network-Slicing-bei-5G, Abrufdatum 14.05.2021.
[6] VIAVI Solutions Inc.: 5G Network Slicing. URL: https://www.viavisolutions.com/es-es/node/71717, Abrufdatum 26.05.2021.
[7] Tiemann, J.; Rothe, M. und Schmidt, O.: Zukünftige Anwendungsfelder für 5G. URL: https://www.oefentliche-it.de/-/zukunftige-anwendungsfelder-fur-5g, Abrufdatum 29.05.2021.
[8] Helmke, B.: Digitalisierung in der Logistik. In Projektmanagement in Logistik und Supply Chain Management, Hartel, D. H. Hrsg., Wiesbaden (2019), S. 183–207.
[9] Hartel, D. H. : Projektmanagement in Logistik und Supply Chain Management. Wiesbaden 2019.
[10] wirautomatisierer.de: Es werden mehr Daten übertragen. URL: https://wirautomatisierer.industrie.de/wireless/5g-und-co-optimieren-produktionsmittel-materialfuss/ Abrufdatum 29.05.2021.
[11] Hompel, M. und Henke, M.: Logistik 4.0 in der Silicon Economy. In Hompel, Vogel-Heuser et al. (Hrsg.) – Handbuch Industrie 4.0 (2020), S. 1–7.
[12] ITwissen.info: Picozelle. URL: https://www.itwissen.info/Picozelle-pico-radio-cell.html, Abrufdatum 29.05.2021.
[13] 5G-ACIA: 5G for Connected Industries and Automation. URL: https://5g-acia.org/wp-content/ uploads/2021/04/WP_5G_for_ Connected_Industries_and_Automation_Download_19.03.19.pdf, Abrufdatum 29.05.2021).
[14] Robert Bosch GmbH: Bosch nimmt erstes 5G-Campusnetz in Betrieb. URL: https://www.bosch-presse.de/pressportal/de/de/bosch-nimmterstes-5g-campusnetz-in-betrieb-221632.html, Abrufdatum 21.05.2021).
[15] Tödter, J.; Abel, B.; König, R. und Schüthe, D.: Flurförderzeuge für ein interaktives Zusammenspiel von Mensch und Maschine. In Handbuch Industrie 4.0. Berlin Heidelberg (2020), S. 171–186.
[16] Hausladen, I., IT-gestützte Logistik,Springer Fachmedien, Wiesbaden 2020.
[17] Loidl, K., 5G-Lokalisierung,URL: https://www.iis.fraunhofer.de/de/f/lv/lok/5g.html, Abrufdatum 07.06.2021.
[18] Loidl, K.: Eckstein, Eckstein, nichts wird mehr versteckt sein: 5G-Mobilfunk bietet neue Möglichkeiten für Lokalisierung und Tracking. URL: https://www.fraunhofer-innovisions.de/cebit/eckstein-eckstein-nichtsmehr-wird-versteckt-sein, Abrufdatum 10.06.2021.
[19] Loidl, K.,Lokalisieren in 5G,URL: https://www.iis.fraunhofer.de/de/profl/jb/2019/lokalisieren-in-5g. html, Abrufdatum 05.06.2021.
[20] Loidl, K.,Positioning in 5G: Neue Möglichkeiten für industrielle AnwendungenURL: https://www.intralogistik-bw.de/wp-content/ uploads/2018/03/Vortrag_FhIIS-Loidl_5G_Positioning_dt_2018. pdf.
[21] Loidl, K.: Überwachung und Steuerung von AGVs und UAVs,URL: www.iis.fraunhofer.de/de/f/lv/lok/5g/industrie_logistik/ueberwachung. html, Abrufdatum 10.06.2021.