Entwicklung einer RFID-Qualifizierungsmaßnahme

Bernd Scholz-Reiter, Sylvie Gavirey, Christian Gorldt, Uwe Hinrichs, Jan Topi Tervo und Dieter Uckelmann

Die Einführung der kontaktlosen Objektidentifizierung mittels Radio Frequency Identification Technologie (RFID) wird inzwischen vermehrt von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) vorrangig aus zwei Gründen in Betracht gezogen: Zum einen um die internen Abläufe in Produktion und Logistik zu optimieren und zum anderen um Kundenwünschen gerecht zu werden. Allerdings wurde im Allgemeinen in Unternehmen in den letzten Jahren nur wenig oder oberflächliches Wissen zu dieser Technik angesammelt und somit ist eine qualifizierte und zertifizierte Schulung im Umgang mit RFID dringend notwendig. Dadurch soll intern Prozesssicherheit garantiert und innerhalb der Wertschöpfungskette einheitliche Standards bezüglich der Handhabung und Implementierung von RFID nachgewiesen werden.

Die Radio Frequency Identification Technologie (RFID) gewinnt in der Industrie immer stärker an Bedeutung, denn sie ermöglicht eine kontaktlose Objektidentifizierung und soll somit die Synchronisation des Informations- und Materialflusses innerhalb einer Wertschöpfungskette sicherstellen. Während Pilotprojekte in erster Linie meist nur in großen Unternehmungen, wie z.B. in den Branchen Automobil- und Luftfahrtindustrie oder Logistikdienstleistungen durchgeführt wurden, wird nun vermehrt die Implementierung in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) durch interne und externe Anforderungen vorangetrieben. Dies sind zum einen die Optimierung der internen Abläufe in Produktion und Logistik sowie zum anderen die Forderung des RFID-Einsatzes seitens der Kunden.

Um dies zu verdeutlichen wurde im Rahmen einer Studie über den Einsatz der RFID-Technologie in kleinen und mittleren Unternehmen eine repräsentative Anzahl von Betrieben aus fünf verschiedenen Branchen befragt, wobei es sich bei 42 % um Speditionen und Logistik-Dienstleister handelt und 29 % aus dem produzierenden Gewerbe stammen. Der Handel ist mit jeder neunten Antwort vertreten.


Bild 1: Funktionsweise von RFID-Systemen.

Es zeigt sich, dass ein Interesse für die Technologie in diesen Branchen besteht, allerdings beklagen auf der anderen Seite 37 % der befragten Unternehmen mangelnde Informationen über die RFID-Technologie insgesamt. Um aber allen Anforderungen gerecht zu werden, ist ein breites Verständnis der technischen wie auch der prozessorganisatorischen Hintergründe notwendig. Um also intern Prozesssicherheit und innerhalb der Wertschöpfungskette einheitliche Standards zu garantieren, werden ausgebildete RFID-Fachkräfte benötigt. In den USA wurde bereits ein Mangel an solchen Kräften festgestellt [1]. Da in den letzten zwei Jahren hierzulande in den Unternehmungen vermehrt nur oberflächliches Wissen über diese Technologie angesammelt wurde, ist eine qualifizierte und zertifizierte Schulung im Umgang mit RFID dringend notwendig. Diese sollte zielgruppengerecht und prozessintegriert erfolgen, um eine breite Akzeptanz in der Industrie zu erreichen. 
 

RFID-Technologie

RFID-Systeme setzen sich im Wesentlichen aus drei Elementen zusammen: Einem Schreib-Lese-Gerät (Reader), einer Readerantenne und einem Datenträger, dem sog. Transponder. Das Lese-/Schreibsystem überträgt die für die Kommunikation zum Transponder notwendige Energie und empfängt Daten vom oder schreibt Daten auf den Transponder. Diese werden anschließend über eine Schnittstelle an die entsprechende Applikation, z.B. ein Lagerverwaltungssystem, weitergeleitet. Die Bezeichnung Transponder setzt sich aus den Begriffen Transmitter und Responder zusammen. Der aus Antenne und Speicherchip bestehende Datenträger ist in der Lage, Energie zu empfangen, umzusetzen und auf Anfrage entsprechende Daten an den Reader zurückzusenden (Bild 1).

Des Weiteren können innerhalb der RFID-Technologie viele Unterscheidungsmerkmale identifiziert werden, wie z.B. Speicherkapazität des Transponders, verschiedene Übertragungsmethoden und -frequenzen (für eine genaue Differenzierung vgl. [2]). Dies spiegelt sich in den verschiedenen Einsatzgebieten wider: RFID-Systeme müssen unterschiedlichen Anforderungen in Bezug auf Reichweite, Auslesesicherheit und Speicherkapazität genügen. Daher sollte für jeden Anwendungsfall differenziert entschieden werden, welches System die Anforderungen am besten erfüllt. 

Im Vergleich zur optischen Identifikation über Strichcodes oder zweidimensionale Codes bietet RFID in gewissen Bereichen Vorteile:

•    Auslesen der Transponderdaten ohne Sichtverbindung, 

•    ändern und ergänzen der Daten mittels read/write Befehlen und

•    zeitgleiche Erfassung mehrerer Transponder (Pulk-Erfassung).


Prozessintegrierte Weiterbildung 

Das Konzept der prozessintegrierten Weiterbildung wurde durch das Projekt PALME [3] am Bremer Institut für Betriebstechnik und angewandte Arbeitswissenschaft (BIBA) geprägt. Neben der Konzeption flexibler, arrangierbarer Weiterbildungsmodule bestand die Aufgabe des Modellversuchs darin, die Organisation von Lernortkombination und gestufter Lernträgerzusammenstellung am Beispiel der Zielgruppe der Facharbeiter und Meister in KMU zu entwickeln und zu erproben. Das Handlungsfeld „Betriebswirtschaftliches Denken und Handeln“ war exemplarisch gewählt. Insbesondere für die externe Unterstützung des Lernorts „Arbeitsplatz“ und des selbständigen Lernens sollte die Weiterbildung auch für KMU finanzierbar und organisierbar sein. Arbeitsorganisation, Technologieanwendung und die Zusammenarbeit mit den Kollegen und Mitarbeitern definierten die Anforderungen für die Qualifikation am Arbeitsplatz; der Lernort war zugleich der Ort der Anwendung des Gelernten. Die folgende Abbildung veranschaulicht das PALME Konzept (Bild 2).


Bild 2: PALME Konzept [4].

Gegenstand der hier beschriebenen Maßnahme ist es, ein Konzept zur standardisierten Qualifizierung für Mitarbeiter von Industrieunternehmen aus den genannten Branchen für die RFID-Technologie zu entwickeln. Dabei spielt die Qualifizierung in kleinen und mittleren Unternehmen eine Schlüsselrolle, da diese meist als Dienstleistungsunternehmen großer Unternehmungen auftreten und somit sich der aktuellen Technik zeitversetzt anpassen müssen. Das Konzept verfolgt eine prozessintegrierte Weiterbildung für verschiedene Zielgruppen. Die Qualifizierung soll Manager oder Projektleiter wie auch Facharbeiter oder IT-Spezialisten erreichen. Deshalb wird ein zielgruppenorientiertes Curriculum entwickelt, welches durch ein Qualifikationsbaukastensystem realisiert wird. Dadurch wird eine zielgruppenindividuelle Aus- und Weiterbildung ermöglicht (Bild 3). 

Im ersten Schritt sind dazu entsprechende Unternehmungen auszuwählen, die Interesse an einer RFID-Qualifizierung äußern. Nachdem akquiriert wurden, werden entsprechende didaktische Ziele (Richt-, Grob- und Feinziele) und die zu qualifizierenden Zielgruppen definiert. Am Ende der Qualifizierungsdurchführung wird der Erfolg der Maßnahme anhand von Kriterien evaluiert.

Die eigentliche RFID-Qualifizierung folgt dem konzipierten Curriculum und ist für jede individuelle Maßnahme anzupassen. Dabei werden laut PALME-Methode die Schritte der Curriculumentwicklung, Curriculumvorbereitung und Curriculumdurchführung unterschieden. PALME sieht verschiedene Lernorte vor. Die prozessintegrierte RFID-Qualifizierungsmaßnahme vernachlässigt jedoch das Lernen mittels E-Learning. Diese Form des Lernens ist in diesem Kontext nicht sinnvoll, da meist Hardware im Zusammenhang mit RFID steht. Vielmehr sollen die Qualifizierungsteilnehmer anhand der betrieblichen Wertschöpfungskette unter Berücksichtigung und Einbeziehung der externen Unternehmenspartner lernen. Die RFID-Technologie kann als Hilfsmittel betrachtet werden, um Geschäftsprozesse zu optimieren, insbesondere bei dem vernetzten Supply Chain Management [5], was die erfolgreiche Zusammenarbeit der Wertschöpfungskette über den gesamten Produktlebenszyklus beschreibt. 

Ein wichtiger Bestandteil der hier skizzierten Maßnahme ist darüber hinaus die Beachtung der technischen Eigenschaften von RFID und der damit verbundenen informationstechnischen Anwendungen. Meist verlangt jeder Prozess individuelle RFID-Anwendungen. Dieses hängt mit den verschiedenen Eigenschaften der zu bewegenden Objekte (z.B. Flüssigkeiten, Metall etc.) sowie den jeweiligen Umweltbedingungen zusammen. Die Teilnehmer der Qualifizierungsmaßnahme sollen ein Verständnis erhalten, wann welche Technologie sinnvoll in bestimmten Prozessen eingesetzt werden kann. Auch werden jeweilige Normungen (z.B. ISO) aus diesem Bereich aufgegriffen, um eine standardisierte Vorgehensweise in der Anwendung dieser Auto- Identifikationstechnologie zu gewährleisten. Um die gesamte Bandbreite der vielfältigen Technologie in der Praxis aufzugreifen, kommt aktuelle RFID-Hardware in der Qualifizierungsmaßnahme zum Einsatz. Die Qualifizierungsteilnehmer werden nicht nur an der jeweiligen RFID-Hardware qualifiziert, sondern auch an den angrenzenden Systemen, wie z.B. der Middleware, welche für die Übernahme der RFID-Daten in die angeknüpften EDV-Systeme (z.B. Enterprise Ressource Planning) eingesetzt werden. Die zu verwendende Technik orientiert sich dabei an jeweiligen Qualifizierungsbausteinen. Informationstechnische Fragestellungen sowie elektrotechnische Aspekte sollen in der Maßnahme parallel berücksichtigt werden.
 


Bild 3: Darstellung der Zielgruppenorientierung der Qualifizierungsmaßnahme.

Fazit

Die RFID-Technologie gewinnt im industriellen Umfeld, insbesondere in der Logistik, immer mehr an Bedeutung. Die Autoren haben in verschiedenen Forschungsprojekten, auch in Kooperation mit der Industrie, Erfahrungen über RFID sammeln können. Nach deren Ansichten steht jedes RFID-Projekt vor individuellen Herausforderungen, auch funktioniert RFID nicht nach dem „plug and play“-, bzw. „plug and ident“-Prinzip. Um den reibungslosen Ablauf in der RFID-Anwendung sicherzustellen, sind die Projektbeteiligten zu qualifizieren. Eine sinnvolle Methodik dafür findet sich im hier beschriebenen PALME-Konzept. Ziel ist es, einheitliche und zertifizierte RFID-Qualifizierungsmaßnahmen zu entwickeln, um den effizienten Einsatz von RFID als maßgeblicher Technologie zur Steuerung von unternehmensübergreifenden Wertschöpfungsketten auch in KMU sicher zu stellen. 

 

Schlüsselwörter:

RFID, Supply Chain Management, prozessintegrierte Qualifizierung

Literatur:

[1] Pößneck, L.: Mangel an RFID-Fachkräften wird akut. URL: http://www.silicon.de/enid/storage_network/?con_id=17218. Abrufdatum 27.6.2006.
[2] Finkenzeller, K.: RFID Handbuch. München 2002.
[3] Homepage des PALME Projekts. URL: http://www.palme-net.de/. Abrufdatum: 27.6.2006.
[4] Echelmeyer, W., Nagels, D., Gavirey, S.: Neue Wege in der prozessintegrierten Anpassungsqualifizierung, ein Modellversuch PALME: Prozessintegrierte Anpassungsqualifizierung mit modernen Medien im Bereich des betriebswirtschaftlichen Denkens und Handelns für Fachkräfte und Meister in KMU. 2004 (im Druck).
[5] Wannenwetsch, H.: Vernetztes Supply Chain Management. Berlin 2005.