SupplyOn - Netzwerk für den elektronischen Datenaustausch in der Zulieferindustrie

Dietlind Ruoff, Patricia Srsa und Dieter Uckelmann

In den vergangenen Jahren sind das E-Business und die Vernetzung zwischen Unternehmen zu einem immer wichtigeren Aspekt geworden. Gleichzeitig mit dem E-Business hat sich auch der elektronische Datenaustausch weiterentwickelt, der die Netzwerkbildung unterstützt. Durch vielseitige Lieferantenportale besteht somit nicht mehr nur die klassische 1:1 EDI-Kommunikation zwischen Hersteller und Zulieferern. Der folgende Beitrag beleuchtet diese Entwicklung auf Basis einer ausführlichen Literaturrecherche näher und geht dabei auf verschiedene Möglichkeiten des Datenaustauschs und die Unterschiede zum klassischen EDI ein.

Als EDI (Electronic Data Interchange) wird der Austausch strukturierter und geschäftsrelevanter Daten zwischen IT Systemen von Unternehmen angesehen [1]. Der Austausch findet dabei über standardisierte Dateiformate statt. Einer dieser Standards ist UN-EDIFACT, welcher sowohl weltweit als auch branchenübergreifend gültig ist. Die Hauptgründe und zugleich Vorteile der Einführung und Nutzung von EDI sind nicht nur für Großunternehmen attraktiv. Mittlerweile ist diese Technik auch im Mittelstand etabliert. Mit Kosten- und Zeiteinsparungen gehen sowohl eine höhere Datenqualität als auch weniger Übertragungsfehler einher. Zudem reduziert sich das Belegvolumen, was zugleich den Verwaltungsaufwand minimiert. Im Gesamten betrachtet führen diese Faktoren für alle Beteiligten zu unternehmensübergreifenden Prozessoptimierungen. Die Kosten für die Einführung von EDIFACT sind jedoch weiterhin erheblich [2, 3].
 


Bild 1: Begrifflichkeiten im Zuliefernetzwerk, eigene Darstellung.

Elektronischer Datenaustausch in der Zulieferindustrie

Eine alternative Form des EDI ist das sogenannte Web-EDI. Für dessen Nutzung ist keine eigene EDI-Infrastruktur nötig. Der Datenaustausch erfolgt über einen Webbrowser des EDI-Partners. Diese Möglichkeit findet vor allem bei Geschäftsbeziehungen mit wenig Interaktion Anwendung und ist die kostengünstigere Alternative für KMU. Da die Daten in keinem standardisierten Dateiformat übertragen werden, ist eine manuelle Eingabe nötig, dies stellt zugleich den Nachteil von Web-EDI dar [1].  
Zudem können sich die Browser-basierten Anwendungen je nach Kommunikationspartner unterscheiden, was die Bedienung erschwert.
Im Gegensatz zum klassischen EDI verwenden Cloud-Anwendungen keine unternehmenseigenen IT-Ressourcen wie Server und Rechenzentren. Die Datenspeicherung erfolgt bedarfsorientiert, flexibel und dezentral auf mietbaren, externen Ressourcen. Der Datenzugriff erfolgt über das Internet mit persönlichen Zugangsdaten [4]. Sie sind so weltweit verfügbar und erleichtern den Datenaustausch mit globalen Zuliefernetzwerken. Der Nachteil der Cloud ist die Datensicherheit, die durch die Kommunikation über öffentliche Netze ggf. gefährdet ist. Außerdem kann es zu Umgehungen der Systemberechtigungen kommen [5].
Lieferantenportale basieren meist auf dem „Software-as-a-Service“-Prinzip. Hierbei werden die Programme in der Cloud dem Kunden zur Nutzung angeboten [6]. Im Vordergrund der Portale steht die Integration von Lieferanten in die firmeneigenen Geschäftsprozesse. Zu den Inhalten der Portale zählen Kataloge, Artikelstammdaten, Lieferanteninformationen und die Geschäftsprozesse im Einkaufsprozess von den Angeboten über das Bestellwesen bis zu der Rechnungsabwicklung. Sogenannte Supplier-Relationship-Management-Portale (SRM- Portale), erstellt von Großkunden für die Lieferanten, sind in der Regel mit den ERP-Systemen verknüpft. Die Lieferanten müssen entsprechend an den Beschaff ungsportalen teilnehmen und eine Nutzungsgebühr entrichten. Im Gegensatz zu Web-EDI ermöglichen die Portale eine unternehmensübergreifende Kollaboration, um die Geschäftsprozesse vollständig abbilden zu können. Die Lieferantenportale können als Schnittstelle zwischen EDI-Systemen agieren und Bestandteile des Web-EDIs beinhalten [1]. Als Beispiel dieser Lieferantenportale wird im folgenden Abschnitt SupplyOn untersucht. Der Zusammenhang zwischen den hier beschriebenen Begriffl  ichkeiten ist in Bild 1 dargestellt.
 

SupplyOn – Beispiel eines Lieferantenportals

SupplyOn ist ein dynamisches und branchenübergreifendes Unternehmensnetzwerk, welches die Zusammenarbeit mit Zulieferunternehmen durch größere Transparenz und den automatischen Datenaustausch vereinfacht. Alle Prozesse der Lieferkette werden strukturiert und sicher abgebildet. Zu den Anteilseignern des Unternehmens gehören bekannte Zulieferer wie Bosch, ZF Friedrichshafen und Continental [7].
Die Netzwerkplattform bietet entlang der gesamten Lieferkette verschiede Lösungen an. Im Folgenden werden vier dieser Lösungen genauer erläutert:
Die Netzwerkplattform ist in verschiedene Produktbereiche unterteilt. Im Bereich „Purchase-to-pay“ unterstützt das weltweite Lieferantennetzwerk beispielsweise den Einkauf von Materialien und Dienstleistungen. Durch das im Gesamtprozess integrierte Rechnungssystem wird die Rechnung mit den Bestelldaten automatisch erstellt und versendet. Dieser Bereich steht für Lieferanten mit eige
nem EDI System und Lieferanten mit Web-EDI zu Verfügung.
Der Bereich „Procurement“ beinhaltet einen Online-Katalog in dem alle in SupplyOn vernetzten Zulieferer ihre Produkte anbieten. Die Integration des Katalogs in das ERP-System und damit die automatische Aktualisierung bei Veränderungen resultieren in Senkungen der Prozesskosten im Einkauf, einer zentralen Steuerung von Bedarfen sowie einer Optimierung des gesamten Einkaufsprozesses. Deshalb ist diese Anwendung eher dem EDI zuzuordnen.
Inhalt des „Transportmanagements“ ist die Verknüpfung der Materialbedarfsprozesse mit Transportprozessen und die Einbindung der Spediteure. Es entstehen Logistik-Netzwerke, die kostengünstige und transparente Transporte ermöglichen. Alle transportrelevanten Daten und Prozesse der beteiligten Lieferanten und Spediteure werden über eine zentrale Web-EDI-Plattform Plattform gesteuert. Die Netzwerkplanung, Transportkonsolidierung und Transportdurchführung finden mithilfe von SupplyOn statt [8].
Des Weiteren existiert die umfassende Analyse-Anwendung Supply Chain Performance Management (SCPM). Diese beinhaltet neuartige Lösungen in den Bereichen Track-and-Trace und Sensoreinbindung. Die Eingliederung und Analyse von Daten unterschiedlicher Parteien der Lieferkette, wie z. B. elektronische Lieferavis, vereinfacht die Lokalisierung des einzelnen Materials. Frühzeitige Informationen bei Abweichungen der Lieferung, die auch im ERP-System zur Verfügung stehen, helfen eine verbesserte Produktionsplanung zu ermöglichen [9]. Durch die Kopplung des Materials mit den Transportbehältern und Sensoren beim Zulieferer entstehen neue Möglichkeiten der Produktüberwachung und -lokalisierung. Die Sensordaten werden in Echtzeit an Sensor-Clouds übermittelt. Das SCPM wertet dann automatisch aus, ob die Lieferung in der vereinbarten Zeit und in entsprechender Produktqualität stattfi ndet. Die Daten werden für weitere Analysezwecke gespeichert [10]. Auch dieses Tool bedient sich der Web-EDI-Technologie.
 


Bild 2: Vergleich SupplyOn, Covisint und SAP Ariba [8, 15, 16].

Marktsituation alternativer Lieferantenportale

Der E-Procurement-Markt ist derzeit stark umkämpft. Die Anzahl der Anbieter von B2B-Portalen hat in den letzten Jahren vor allem in der Automobilbranche stetig zugenommen. Laut Experten wird die Zahl in den nächsten Jahren allerdings zurückgehen, da viele Unternehmen wieder vom Markt verschwinden. Ein Grund dafür ist, dass beispielsweise VW sein eigenes Portal betreibt. Weitere OEMs könnten diesem Beispiel folgen [11]. Unternehmen wie SupplyOn, Covisint oder SAP Ariba konnten sich bisher im Markt behaupten. Bild 2 vergleicht die Anbieter in den Aspekten Gründung, Anzahl der Kunden, Branche sowie Leistungen. Eine Gemeinsamkeit ist der cloudbasierte Aufbau der Portale.
Covisint wurde 2000 von den damals führenden Automobilherstellern Nordamerikas DaimlerChrysler, Ford und General Motors ins Leben gerufen. SupplyOn folgte als Antwort der oben genannten Zulieferunternehmen wenig später, was sich bis heute in der Kundenstruktur widerspiegelt. Derzeit gilt das Unternehmen durch Akquisitionen mehrerer Wettbewerber als europäischer Marktführer vollintegrierter Supply Chain- und Transportmanagementlösungen und baut sein internationales Netzwerk immer weiter aus. Die Größe des Netzwerks entscheidet im Internet über den Erfolg. Aufgrund der Kannibalisierung der Lieferantenplattformen ist eine Vorherrschaft notwendig um im Markt zu bestehen. Im Bereich des Transportmanagements hebt sich SupplyOn als einziger Anbieter dieser Leistungen von den Wettbewerbern ab [12, 13].
Völlig losgelöst von einer spezifischen Branche ist dagegen SAP Ariba, welches im Jahr 2012 von SAP übernommen wurde. Die Kunden von SAP haben direkten Zugang zum Netzwerk von Ariba [14]. Aus diesem Grund ist dessen Netzwerk mit mehr als drei Millionen Nutzern das größte Portal.
 

Vergleich von EDI und Lieferantenportalen

Um die Entwicklung des elektronischen Datenaustauschs in der Zulieferindustrie zu verdeutlichen, sind im Folgenden die Unterschiede zwischen klassischem EDI und den Lieferantenportalen erläutert.
Von den Autoren werden Lieferantenportale als eine Weiterentwicklung von EDI betrachtet. Wie in Bild 3 sichtbar, besteht bei EDI eine 1:1-Beziehung zwischen den Daten austauschenden Parteien. Der Empfänger bzw. Sender der Daten ist genau bekannt und es existiert eine Produktdatenvereinbarung. Im Netzwerk der B2B-Portale ist ggf. der Empfänger der Nachrichten unbekannt und es können mehrere Empfänger bzw. Sender existieren. Dies wird als n:m-Beziehung bezeichnet. Statt individuellen Datenkontrakten zwischen den einzelnen Parteien werden portalspezifi sche Vereinbarungen verwendet, die gleichlautend für alle Nutzer des Portals bzw. der bezahlten Anwendungen gelten. Dadurch lassen sich in der Anbahnung elektronischer Geschäftsbeziehung Zeit und Kosten sparen. Aus der n:m-Beziehung resultiert die Möglichkeit für eine fl exiblere, transparentere, einfachere und schnellere Kommunikation mit mehreren Parteien.
Zusätzlich kann eine Unterscheidung aufgrund der IT-Infrastruktur vorgenommen werden. Mit EDI ist eine automatische Kommunikation ohne manuelle Eingriff e nur möglich, wenn alle Benutzer die gleichen Standards oder entsprechende EDI-Konverter verwenden und die entsprechende IT-Infrastruktur besitzen. Die Anbindung an interne EDI Systeme ist demnach sehr aufwendig [18]. Da der Aufbau der B2B-Portale oft auf einer Cloud-Infrastruktur basiert, wird hier keine teure eigene EDI-Infrastruktur benötigt. Die Hersteller können einfacher und günstiger über das Internet mit ihren Zulieferern kommunizieren [19]. Da die Gebühren der Plattformen (hier: SupplyOn) sehr hoch sind, lohnt sich ein Anschluss nur für größere Zulieferunternehmen [11]. Die umfangreiche Katalogfunktion von SupplyOn ermöglicht den beteiligten Unternehmen die Erschließung neuer Beschaff ungs- bzw. Absatzmärkte, sodass auf den Trend der Globalisierung reagiert werden kann. Außerdem entsteht aufgrund der verbesserten Anbietervergleichbarkeit eine größere Markttransparenz [18]. Das klassische EDI bietet in der Regel keine Katalogfunktion.
 


Bild 3: Beziehung zwischen Automationsgrad und Vertrauensbeziehung im
elektronischen Datenaustausch, eigene Darstellung in Anlehnung an [17].

Netzwerkbildung zur zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit

Wie alle Technologien befi ndet sich auch EDI in einem stetigen Wandel. Vor allem seine Nutzung im Lieferantenmanagement wird in Zukunft wichtiger und entwickelt sich weg vom klassischen EDI zu noch mehr möglichen Anwendungen. Das zukünftige Lieferantenmanagement unterliegt dabei einer zunehmenden Digitalisierung, deren Grundlage der Datenaustausch ist. Portale wie SupplyOn ermöglichen eine standardisierte elektronische Interaktion sowie eine enge Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und deren Lieferanten sowie Kunden. Sie sind in alle Prozesse eingebunden und nehmen die Stellung eines gleichwertigen Partners ein. Durch die Cloudlösungen ist die gleichzeitige Verbindung zu allen Beteiligten in der Liefer- und Wertschöpfungskette möglich. Diese rückt in den kommenden Jahren weiter in den Fokus, sodass auch zunehmend Sensor- und Eventdaten EDI ergänzen werden und die Portale zu entsprechenden Erweiterungen ihres Angebots zwingen. Die Vernetzung aller Unternehmen wird die Entwicklung des Lieferantenmanagements langfristig verändern und in Zukunft eine entscheidende Rolle in der Wettbewerbsfähigkeit spielen [20].

Beitrag als pdf herunterladen

Schlüsselwörter:

EDI, SupplyOn, Lieferantenportale, Netzwerke

Literatur:

[1]  Kischporski, M.: EDI- Digitalisierung und IT-Wertbeitrag konkret umsetzen. Wiesbaden 2017.
[2]  Köhler, A.: Intelligent Data Interchange (IDI). Wiesbaden 2010.
[3]  Riggert, W.: Electronic Data Interchange EDI. In: Riggert, W. (Hrsg): Betriebliche Informationskonzepte. Braunschweig Wiesbaden 2000.
[4]  IHK München: Industrie 4.0 – Warum der digitale Wandel auch Ihr Unternehmen betrifft. URL: https://ihk-industrie40.de/leitfaden-industrie-4-0/technologien/cloud/, Abrufdatum 30.04.2018.
[5]  Fallenbeck, N., Eckert, C.: IT-Sicherheit und Cloud Computing. In: Bauernhansl, T., Hompel, M., ten/Vogel-Heuser, B. (Hrsg): Industrie 4.0 in Produktion, Automatisierung und Logistik. Wiesbaden 2014.
[6]  Mell, P., Grance, T.: The NIST definition of cloud computing. Gaithersburg 2011.
[7]  SupplyOn: URL: https://www.supplyon.com/de/ueber_uns/, Abrufdatum 30.04.2018.
[8]  SupplyOn: URL: https://www.supplyon.com/de/loesungen/, Abrufdatum 30.04.2018.
[9]  SupplyOn: URL: https://www.supplyon.com/de/blog/produktionsmaterial-mit-track-trace-ver..., Abrufdatum 05.05.2018.
[10] SupplyOn: URL: https://www.supplyon.com/de/blog/liefertreue-lieferqualitaet-mit-sensor-..., Abrufdatum 05.05.2018.
[11] Handelsblatt: Autobauer kaufen Bauteile übers Internet. URL: http://www.handelsblatt.com/impressum/nutzungshinweise/ blocker/?callback=%2Fauto%2Fnachrichten%2Fder-internet-marktplatz-der-zulieferer-supplyon-expandiert-autobauer-kaufen-bauteile-uebers-internet-seite2%2F2452376-2.html, Abrufdatum 30.04.2018.
[12] Covisint: Connecting People, Systems and Things. One cloud platform. URL: https://www.covisint.com/wp-content/uploads/Covisint-Corporate-Fact-Shee..., Abrufdatum 01.05.2018.
[13] DGAP: Marktführer für vollintegrierte Supply Chain & Transport-Management Lösungen entsteht: SupplyOn AG übernimmt die Eurolog AG und investiert in den weiteren Ausbau. URL: http://www.dgap.de/dgap/News/dgap_media/marktfuehrer-fuer-vollintegriert..., Abrufdatum 01.05.2018.
[14] Beschaffung aktuell: Clever vernetzt. URL: https://beschaffung-aktuell.industrie.de/e-procurement/clever-vernetzt/, Abrufdatum 01.05.2018.
[15] Covisint. URL: https://de.covisint.com/platform/, Abrufdatum 01.05.2018.
[16] SAP Ariba. URL: https://www.ariba.com/de-de/solutions/solutions-overview, Abrufdatum 01.05.2018.
[17] Uckelmann, D.: Auto-ID / RFID in UL1 – Logistik und Informationssysteme. Stuttgart 2018.
[18] Bichler, K.; Krohn, R.; Riedel, G.; Schöppach, F.: Electronic Business (E-Business). In: Bichler, K. u. a. (Hrsg): Beschaffungs- und Lagerwirtschaft. Wiesbaden 2010.
[19] Verkehrsrundschau: SupplyOn: EDI-Service für den Mittelstand, URL: https://www.verkehrsrundschau.de/nachrichten/supplyon-edi-service-fuer-d.... html, Abrufdatum 01.05.2018.
[20] Dust, R.; Wilde, M.: Wissensmanagement im Lieferantenmanagement. In: Beschaffung aktuell 2 (2016), S. 12-13.